„Wenn ich den Robben auf rechts Aussen stelle kann ich den Holtby zentral spielen lassen.“ Die Aufstellung die Ebenezer auf Communio eingab war klar strukturiert und duldete keine Verschiebung in jede denkbare Richtung. Ordnung und einhalten der Regeln stand für Ebenezer Scrooge ganz oben auf der Liste um ein erfolgreiches Leben zu führen. Fleiss kam direkt dahinter. Das war wohl auch der Grund warum er Leiter einer Bank geworden ist.

Ein „harter Knochen“, so nannte man ihn. Und niemand würde sich trauen etwas Negatives über ihn laut auszusprechen. Er hatte seine Ohren überall und brauchte nur mit dem Finger zu schnipsen und schon war man auf der Strasse.

Es war kein einfaches Leben für die Mitarbeiter der Bank, aber alle wussten, dass man alles, was man im Leben tat,  zurückbekommt. Egal ob gut oder böse.

An diesem Abend musste Ebenezer wichtige Entscheidungen bei seiner Fußball-Online-Liga fällen. Die Aufstellung für´s Wochenende stand an. Später stünde noch zur Diskussion ob die Belegschaft der Debitoren von 14 auf 6 Mitarbeiter reduziert werden soll. Das hiesse zwar mehr Arbeit für die, die noch da wären, aber das „würde nur ihre Fähigkeit steigern“.

Als er sich dann dafür entschied Robben auf die Bank zu setzen und stattdessen Van der Vaart spielen zu lassen, nahm er die Planung für die Kürzung der Abteilung in die Hand, warf einen schnellen Blick drüber und unterzeichnete. Damit hatte er 8 Mitarbeiter fristlos entlassen. Morgen, nach 17h, würde er ihnen das mitteilen. Natürlich per E-Mail. Wofür gab es das denn sonst?!

Als er die Bankerlampe an seinem opulenten Schreibtisch gerade rückte, klopfte es an seiner Tür. „Herein!“, motzte Ebenezer. Es war Bob Chratchit, sein Sekretär, der die ganze Schreibarbeit machte. Sein etwas veralteter Anzug saß ihm nach wie vor perfekt. Es gab ihm zwar nicht den Anschein, ein wichtiges Amt zu bekleiden, aber immer noch gut genug um ihm mit Respekt entgegen zu kommen.

„Herr, Scrooge?“, stammelte Bob und nahm seine Brille ab.

„Was ist denn?!“, kam es ungeduldig über die alten Lippen von Ebenezer, die schon viele Winter gesehen haben.

„Bitte Entschuldigen Sie, aber dürfte ich heute vielleicht eine Stunde eher gehen? Ich habe gesehen das ich noch 327 Überstunden vom letzten Monat habe.“, zaghaft aber dennoch mutig kam Bob zwei Schritte näher.

„WAS?!? Früher gehen? Wir haben den 23. Dezember. Da müssen wir noch unsere Inventur vorbereiten. Die Überweisungsträger müssen auf Richtigkeit geprüft werden. Die Schlüssel für die Schließfächer sollten auch kontrolliert werden.“

Ruhe. Bob traute sich nicht etwas zusagen. Und doch nahm er all seinen Mut zusammen:“ Naja, wissen Sie, ich möchte mit meinem Sohn zu einem Eishockeyspiel. Wir konnten uns endlich Karten leisten. Da er ja an den Rollstuhl gefesselt ist, ist es nicht einfach Eishallen zu finden die Behindertengerecht sind. Und heute wäre der große Tag für ihn. Er hat sich so sehr darauf gefreut seine erstes Eishockeyspiel im Stadion zu sehen.“

Die Miene von Ebenezer verdunkelte sich. Eishockey. Dieser Sport bei dem alle wie wild über das Eis laufen und sich gegenseitig die Fresse polieren. Und alles nur wegen dieser kleinen Scheibe. Nein, Eishockey war in Scrooge´s Augen ein Misston in der Gesellschaft. Keine Ordnung. Weder auf dem Eis, noch auf den Rängen. Die Fans feiern zusammen. Wie soll das denn gehen?

„Humbug!“, spotzte er über den Schreibtisch. „Dieses Eishockey…furchtbar!“

„Wir finden es toll wie die Spieler mit einer Leichtigkeit über das Eis fliegen und dabei den Puck mit so viel Hingabe führen…“

„Hören Sie auf! Na gut, dann gehen Sie. Aber morgen sind Sie hier und bereiten die Inventur vor!“

„A A Aber morgen ist doch Weihnachten!“, verstand Bob die Welt nicht mehr.

„Dann sollten Sie wohl besser hierbleiben.“, fachte Scrooge ihn an.

„Nein, nein. Ich bin morgen um 7 Uhr hier. Sie können sich auf mich verlassen!“, beschwichtigte Bob ihn. Als er draussen war, fluchte er innerlich hier jemals angefangen zu haben. Aber was sollte er machen? Sein Sohn, Tim, wurde letztes Jahr von einem Auto angefahren und war seitdem ab der Hüfte abwärts gelähmt. Da es Fahrerflucht war und die Versicherung einen Weg gefunden hatte nichts zu bezahlen, saß er und seine Frau Susanne auf jede Menge Arztrechungen. Das Geld, was Bob hier verdiente, brauchte er nun mal um für das Wohl seiner Familie zu sorgen.

Aber davon wollte er jetzt nichts mehr wissen. Es freute sich, gleich seinen Sohn abzuholen und mit ihm in Köln die DEL-Partie Kölner Haie gegen die Eisbären aus Berlin zu sehen. Viel zu lange hatten sie sparen müssen um diesen Traum für Tim Wirklichkeit werden zu lassen.

In der Zwischenzeit machte Ebenezer Feierabend und als er seine Lampe am Schreibtisch losch, bemerkte er, dass er der letzte im Gebäude war. Alle waren schon bei ihren Familien zuhause. Ihn würden in seiner Villa am Stadtrand lediglich der Fernseher und eine Tiefkühlpizza erwarten. Er verschwendete keinen Gedanken an irgendwelche sozialen Verpflichtungen. Sein Leben war die Bank und seine Communio-Aufstellung.

„…Ebenezer…“, flüsterte es über den dunklen Flur der nur von den Straßenlaternen etwas erhellt war.

Was war das?! Hörte er schon Stimmen in seinem Kopf? Es war ein zwar ein erfolgreiches Geschäftsjahr, aber auch ein stressiges. Er tat es als Hirngespinst ab und sah sich zuhause schon in der Badewanne, während auf dem an der Wand montierte Flachbildschirm die aufgezeichnete Partie zwischen dem Hamburger SV und der Spielvereinigung Unterhachingen zeigen würde. Ein langweiliges 0-0. Für Ebenezer ein Traumspiel. Ordnung bis zur letzten Minute.

„Ebenezer…Gib…nicht…auf…!“

Diesmal war es lauter und irgendwie näher. „Wer ist da?!“, rief Ebenezer der Dunkelheit entgegen.

Keine Antwort.

„Nah, Humbug!“, knurrte er und verliess das Gebäude.

Draussen auf der Strasse ging er zu seinem Parkplatz wo sein Porsche Cayenne stand. Sein ganzer Stolz. Schwarz wie die Nacht. Sportlich, stark und einen Werbezettel an der Windschutzscheibe…Was?!

„Wer wagt es?!“, rang Ebenezer nach Luft. Energisch nahm er den Rot-Weißen-Wisch in die Hand und las vor:

„Unterstütze auch Du die Junioren der Kölner Haie. Komme zu den HAImspielen und erlebe Eishockey pur.“

Darunter prangte das Logo der Kölner Haie und der Verweis das man am zweiten Weihnachtsfeiertag ein Heimspiel gegen Bad Tölz hat.

„….“, Ebenezer wusste nicht was er sagen sollte. So eine Frechheit, ihm so einen Flyer an seinen Wagen zu heften.

Er knüllte ihn zusammen und nur seine Regeln verhinderten, dass er ihn achtlos auf dem Parkplatz geworfen hatte. Mülleimer gab es hier leider nicht. Seine Sparmaßnahmen. Die Mitarbeiter sollten ihren Müll gefälligst selber mitnehmen.

Als Ebenezer sich berauscht an dem 0-0 des oben genannten Spiels ins Bett begab, dachte er gar nicht mehr an die Stimme heute Abend auf dem Flur vor seinem Büro.

Es war kurz vor zwölf als er ein seltsames Geräusch auf dem Flur hörte. Fast so als würden Metallketten aneinander geschlagen. Als es nach 5 Minuten nicht aufhörte, dachte Ebenezer erstmals daran, das es vielleicht nicht mit dem Stress der letzten Monate zusammenhing.

Er stand auf und ging zur Schlafzimmertür. Vorsichtig legte er sein Ohr an die Tür. Nichts. Als er schon auf dem Weg zurück zum Bett war, begann es erneut.

„Gut, jetzt ist Schluß!“, entschlossen marschierte er zur Tür und riss sie auf. Als er auf den Flur trat und nach links und rechts sah erblickte er nichts was den Krach hätte machen könnne. „Ist ja seltsam…“

Er ging langsam rückwärts und schloß die Tür.

„Na endlich bin ich hier drin!“, erklang eine ihm sehr bekannte Stimme hinter ihm. Ebenezer wagte sich kaum umzudrehen. Es war die Stimme seines schon längst verstorbenen Geschäftspartners Jacob. Ebenezer fuhr herum und konnte nicht fassen was er sah.

Jacob Marley saß in seinem Sessel vor dem Kamin. „Das Jahr war wohl schlimmer als ich gedacht hatte. Ich brauche eine Auszeit…!“, flüsterte Ebenezer.

Jacob Marley sah aus, als ob er niemals tot gewesen sein. Die Haare frisch gestriegelt und mit fokussierten Blick erinnerte sich Ebenezer an die Glanzzeiten. Diese beiden Männer haben Geiz einen völlig neuen Namen gegeben. Freien Kaffee für die Mitarbeiter? Wozu? Weihnachtsgeld? Muss man nicht geben.

„Ebenezer, hör mir zu!“, begann Jacob.

„Ha, klar, du bist tot Jacob. Du bist ein Gebilde meiner Fantasie. In Wahrheit steht ein leerer Sessel vor mir und ich habe einen schlechten Traum.“

„Nein, dies ist kein Traum. Glaube mir. Nun hör mir zu. Du musst aufhören so zu leben. Gib Eishockey noch mal eine Chance. Damit dir nicht das Schicksal ereilt wie mir!“

„Schicksal? Wovon redest du?“

Langsam rollte Jacob eine Metallkugel hervor die mit einer Kette an seinem Fußgelenk verbunden war. „Ich bin gefangen, Ebenezer. Ich habe es verkackt. Ganz einfach.“

Ebenezer fing lauthals an zu lachen. „Willst du mir Angst machen? Du meinst ich soll Fußball aufgeben und mich diesem Punksport hingeben?“

Jacob setzte an und mit dämonisch tiefer Stimme erschien er mit einer entstellten Fratze vor Ebenezers Gesicht:“ Du bekommst heute Nacht Besuch von drei Geistern. Der erste ist der Geist der Vergangenheit. Der zweite ist der, der Gegenwart und der letzte ist der Geist der Zukunft.“ Langsam sank Jacob wieder in den Sessel.

Ebenezer stand wie angewurzelt da. Noch immer unter Schock auf das was da gerade passiert ist.

„Du solltest die Chance nutzen.“, sagte Jacob mit sanfter Stimme.

Bevor sich Jacob in einem Nebel auflöste und gab er ihm noch etwas mit auf dem Weg :“ Bestell Sidney schöne Grüße…!“

Ebenezer wusste nicht wie lange er noch starr vor seinem Bett stand, aber als er wieder zu Besinnung kam, musste er schlucken.

Nachdenklich schlich er sich zu seinem Bett, stieg ein und zog sich die Decke über seinen Kopf. Ein wenig mulmig war ihm schon.

„Ding DONG!“, die Uhr schlug 1 Uhr.

Ende Teil 1

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