Von Frank Göbel

Ukraine und Eishockey. Das war für uns alle eine Selbstverständlichkeit. Die blau-gelben Trikots gehören zu jeder Weltmeisterschaft irgendwie dazu. Seit dem 24.Februar 2022 ist das aber in den Hintergrund gerückt. Die Ukraine kämpft jeden Tag um ihr Land. Ein Volk, welches sich nicht einfach ergibt, sondern alles tut, um dieses Land zu verteidigen.

Eishockey ist dennoch ein Thema in der Ukraine. Die Meisterschaft ist im vollen Gange. Zuletzt gab es aber auch hier Blackouts da Infrastrukturen wie Stromversorgung angegriffen wurden. Die Folge war, dass Eishallen wahrlich im dunklen standen.

Bange machen gilt nicht. Das meint der Präsident des ukrainischen Eishockeyverbandes Georgii Zubko. Der hat den Blick auf das Eishockey vor Ort und viel wichtiger, den Nachwuchs.

Zugegeben, als die Antwort aus Kiev für dieses Gespräch kam, war dieser Krieg für mich noch näher als jemals zuvor. Ein beklemmendes Gefühl. Perspektive ist in diesen Tag so verdammt wichtig.

Ich lade dich ein, zu diesem Interview, welches dir bestimmt Erkenntnisgewinn über das ukrainische Eishockey bringt.

Frank: Georgii, vielen Dank, dass Du dir die Zeit für uns genommen hast. Bevor wir in deinen Alltag gehen, was waren deine Aufgaben als Präsident des Urkainischen Eishockeyverbandes vor dem 24. Februar?

Georgii Zubko: Bis zum 24. Februar hatte ich klassische Aufgaben, wie für den Präsidenten eines jeden Eishockeyverbandes. Dies ist die Organisation aller Prozesse im Zusammenhang mit den vier Nationalmannschaften, Entwicklung und Popularisierung von Kinder- und Jugendhockey, Organisation von nationalen Wettbewerben aller Alterskategorien.

Frank: Wie war die UHL (Ukrainian Hockey League) aufgebaut? Gab es Auf- oder Abstieg? Wie war die Verzahnung mit den Ligen unten?

Georgii: Die ukrainische nationale Meisterschaft vor Beginn des umfassenden Krieges war wie folgt strukturiert: der nationale Hauptwettbewerb und die Erste Liga (der Wettbewerb der unteren Klasse). Die Erste Liga wurde zum ersten Mal in der Ukraine eingeführt. Während des Krieges wurde allen Widrigkeiten zum Trotz die nationale Meisterschaft ins Leben gerufen und auch die Erste Liga wird gespielt.

Frank: Wie sieht es mit der Jugendarbeit aus? Die Ukraine ist ein eishockeyverrücktes Land. Gibt es genügend Eishallen im Land?

Georgii: Vor zwei Jahren nahm der Jugendverband (bis 21 Jahre) seine Arbeit auf. Die Liga bestand aus 8 Mannschaften, die um den Pokal der Jugendmeisterschaft der Ukraine kämpften. Ja, für ein Land, das sich für Eishockey interessiert, gibt es nicht genug Eisbahnen. Das letzte Eisarena-Entwicklungsprogramm wurde vor mehr als 10 Jahren teilweise abgeschlossen. Seit dieser Zeit wurden Eisarenen mit seltenen Ausnahmen geschaffen, aber im Allgemeinen gibt es nur sehr wenige von ihnen. Aber ein Jahr vor Beginn des Krieges verabschiedete der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, ein Programm zum Bau von Eisarenen in der ganzen Ukraine. Es war geplant, in 3 Jahren mehr als 20 Eisarenen in jeder Region der Ukraine zu bauen. Die Ukraine hat übrigens 24 Regionen. Wir haben in diesem Projekt gute Fortschritte gemacht, der ukrainische Hockeyverband war der Haupttreiber dieses Programms. Leider ist das Programm derzeit ausgesetzt und wartet auf das Ende des Krieges.

Frank: Wir hoffen natürlich, dass dieses Programm wieder aufgenommen wird! Wenn wir hier im Winter 2022 sprechen, werden wir natürlich den russischen Einmarsch in die Ukraine nicht vermeiden können. Wie hast du persönlich den 24. Februar erlebt?

Georgii: Ich persönlich habe am 24. Februar, wie Millionen Ukrainer, den Krieg im Bett erlebt. Danach kam ich zum Büro der Föderation und machte einen offiziellen Appell, um die russische Aggression zu verurteilen. Wir betrachten dies als Kriegsverbrechen gegen unser Land. Am nächsten Tag kam ich, wie Zehntausende Ukrainer, zur territorialen Verteidigung in der Stadt Kiew an, um mein Land zu schützen.

Frank: Wir können uns vorstellen, dass Eishockey die geringste deiner Sorgen war. Wann hattest du wieder das Gefühl, dass es aufwärts geht und die Saison 22/23 realisiert werden kann?

Georgii: Ich kann nicht sagen, dass Hockey die geringste meiner Sorgen war, denn wir haben für uns die folgende Wahrnehmung von allem, was geschieht, bestimmt – jede Person, die vor dem Krieg für irgendeinem Bereich im Land verantwortlich sein war, muss diese Verantwortung auch während des Krieges übernehmen. Dementsprechend bleibt mein Team für das Eishockey in der Ukraine verantwortlich. Wir reagieren auf die Herausforderungen, die wir heute in der Ukraine haben. In den ersten Kriegstagen evakuierten wir junge Eishockeyspieler mit ihren Müttern ins Ausland. Nachdem unser Militär die ersten Angriffe der Besatzer auf die Ukraine abgewehrt hatte, begannen wir, die Eisarenen wiederherzustellen und die Kinder nach Hause zurückzubringen.

Frank: Wie sieht dein Alltag aus? Auf der einen Seite tobt im Osten Ihres Landes ein Krieg und auf der anderen Seite läuft die Eishockeysaison 22/23. Wie gehst du das mental an?

Georgii: Wir haben  die nationale Meisterschaft ins Leben gerufen. Leider haben wir dieses Jahr nur 6 Teams, die Wettbewerbe finden in drei Städten (Kiew, Krementschuk und Kalush) statt. Ja, wenn der Luftschutzalarm ertönt, verstecken sich alle im Luftschutzbunker. Es mag unrealistisch klingen, aber die Ukrainer sind eine mutige Nation. Auch die Nationalmannschaften der Ukraine gehen nach Plan vor. Alle 4 Teams trainieren und nehmen an internationalen Wettkämpfen teil. Wir haben viele Probleme, aber das ist keine Entschuldigung für uns, aufzugeben.

Frank: Den Menschen ein Stück Normalität zurückbringen. Wie haben die Spieler reagiert, als klar wurde, dass die Saison beginnen würde?

Georgii: Um ehrlich zu sein, war es auch im Sommer schwer für uns sich vorzustellen, dass die Meisterschaft ausgetragen wird. Für viele Menschen in der Ukraine ist Hockey jedoch ein Teil des Lebens, für einige ist es ein Job. Deshalb wollten die meisten Leute in unserer Branche in der einen oder anderen Form wieder aufs Eis. Deshalb haben wir alle Anstrengungen unternommen, damit das Eishockey allmählich in das gesellschaftliche Leben unseres Landes zurückkehrt.

Frank: Wir sind bei unseren Recherchen auf die Seite Saveukrainianhockeydream.org gestoßen. Kannst du uns etwas dazu sagen?

Georgii: Die Ukrainian Hockey Dream Foundation wurde im dritten Monat des Krieges gegründet, als wir realisierten, dass unsere Ressourcen zur Neige gingen und das Problem langfristig war. Daher wurde eine solche Entscheidung getroffen, einen Fonds zu schaffen, damit das ukrainische Eishockey diese herausfordernde Zeit überlebt. Bis heute haben wir mehr als 200.000 US-Dollar direkt von unseren Partnern erhalten. Die International Ice Hockey Federation, das Internationale Olympische Komitee verschiedener Länder, die NHL, die NHLPA und alle anderen helfen uns sehr. Wir erhielten Hilfe bei der Evakuierung von Kindern ins Ausland in den ersten Kriegstagen, bei der Unterstützung von Nationalmannschaften und bei der Versorgung von Kindern mit Ausrüstung. Aber jetzt wird mehr Hilfe benötigt, weil es zu viele Herausforderungen und Probleme gibt. Wir wollen unsere Arbeit in dieser Richtung wirklich verstärken. Wir arbeiten derzeit an der Verlagerung mehrerer Arenen von der Ostukraine in die Westukraine. Zum Start von Kinder- und Jugendwettbewerben. Außerdem arbeiten wir daran, die Anzahl der Hockeyschulen in den Regionen zu erhöhen, in denen dies möglich ist.

Frank: Was können wir tun, um dich bei dieser Aktion zu unterstützen?

Georgii: Wir freuen uns sehr über jede Spende und jeden Anteil an der Website. Bitte spendet, unterstützt uns und helft der Welt, von der Ukrainian Hockey Dream Foundation zu erfahren.

Frank: Wie geht es weiter? Wir wetten, dass viel davon abhängt, wie sich der Konflikt in den nächsten Monaten entwickelt, oder?

Georgii: Du hast Recht, wir sind sehr abhängig von den Entwicklungen an der militärischen Front. Heute erleben wir nicht nur militärische Angriffe, sondern auch Angriffe auf zivile Infrastruktur, Stromausfälle. Aber unser Militär gibt uns Vertrauen in die Zukunft, deshalb werden wir unsere täglichen Aufgaben weiter umsetzen.

Frank: Kurz zurück zur Liga. Die Play-offs beginnen im März. Rein sportlich: Wer ist dein Favorit für den Titel?

Georgii: Die nationale Saison ist in vollem Gange. Die Hälfte haben wir geschafft. Die Playoffs beginnen im März. Die größte Zeit im Eishockey wird dann beginnen. Teams bereiten sich vor und machen Fortschritte. Heute spielen unsere Jungs in europäischen Ligen. Dementsprechend ist es unser Plan, die nationale Meisterschaft ordentlich zu beenden. Ich bin sehr stolz auf die Jungs, die spielen, dem Land helfen und einen Beitrag leisten. Die militärische Invasion Russlands gab uns das endgültige Verständnis, dass wir ein sehr vereinter Bürger unseres Landes sind. Wir sind der Welt dankbar für die Unterstützung und natürlich für die Unterstützung des ukrainischen Eishockeys.

Selten habe ich einen so positiven Menschen wie Georgii erleben dürfen. Ich habe das Gefühl, das Georgii noch vieles in der Ukraine bewegen wird.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Georgii für das Gespräch und ein ganz dickes Danke geht an Mariia Voitko, die dieses Gespräch möglich gemacht hat.

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